Das hat sich die Bäckerei ‚Die Brotpuristen‘ in Speyer gesagt. Weil es immer schwieriger wurde, Nachwuchs zu finden, analysierten die Inhaber, was junge Menschen davon abhält, Bäcker zu werden. Und da stand die Nachtschicht an erster Stelle. Doch wer sagt eigentlich, dass man um 2 Uhr nachts beginnen muss? Das ist eigentlich nur notwendig, wenn man den Kunden ab 7 Uhr frisch gebackene Brötchen anbieten möchte. Die Brotpuristen entschieden daher, keine Frühstücksbrötchen mehr zu backen und den Betrieb erst um 6 Uhr morgens zu starten. Der Verkauf findet nun am Nachmittag statt, das Angebot konzentriert sich auf handwerklich gemachte Brote. Der Teig hat so mehr Zeit sich zu entwickeln, das Ergebnis sind schmackhafte Brote, die länger halten und gut verträglich sind. Und die Kundschaft? Ist begeistert und rennt den Brotpuristen die Bude ein.

Was bedeutet ein solches Beispiel für andere Unternehmen, die ebenfalls Nachwuchs-Probleme haben?

Irritationsfaktoren

Zunächst einmal gilt es herauszufinden, was die jungen Leute an dem angebotenen Job nicht mögen. Das kann, wie hier, die Nachtschicht sein. Oder zu starre Arbeitszeiten. Fehlende Infrastruktur. Fehlende Ausstattung für mobiles Arbeiten. Das sind alles Themen, die man leicht angehen und verändern kann. Die Speyerer Brotpuristen sind jedoch einen Schritt weiter gegangen: Sie haben ihre Grundannahmen infrage gestellt. Wer sagt denn, dass jeder Bäcker morgens um 7 Uhr schon frische Brötchen anbieten muss? Keiner!

Grundannahmen

Viele Stellenbeschreibungen beinhalten solche Grundannahmen. Eine davon war bis vor Corona: Diese Tätigkeit kann nur im Büro erledigt werden. Bei sehr vielen Jobs war in den letzten Monaten jedoch festzustellen, dass dem nicht so ist. Natürlich gibt es Berufe, die man nur vor Ort erledigen kann. Wer eine Maschine betreut, muss bei der Maschine sein, um sie zu bedienen, solange sie nicht aus der Ferne zu steuern ist. Und schon sind wir dabei, diese Annahme zu hinterfragen.

Mittlerweile gibt es viele Unternehmen, die die Wartung und Reparatur der Maschinen mit Augmented Reality (AR) vornehmen: Der Monteur ist nicht mehr vor Ort, sondern unterstützt den Maschinen-Betreuer, der vor Ort ist, über Software mit Hilfe einer AR-Brille dabei, die Wartung oder Reparatur selbst vorzunehmen. Schon in den 1980ern gab es Systeme, die die Produktion in die Lage versetzten, nachts in ‚Geisterschicht‘ zu arbeiten. Bei Abweichungen wurde die Produktion kurzerhand abgeschaltet. Diese Technologie hat sich in den letzten 40 Jahre in vielen Branchen so weiterentwickelt, dass das Bedienen der Maschinen auch auf Distanz möglich wäre.

Attraktive Arbeitskonditionen

Nun geht es aber nicht darum, den Menschen überflüssig zu machen. Es geht darum nachzudenken, wie man die Arbeitsbedingungen für Mitarbeitende so attraktiv gestalten kann, dass man Nachwuchs findet. Und das geht nur, indem man alle Glaubenssätze und Annahmen einmal gehörig herausfordert: Wer sagt, dass das so muss?

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