Wir alle sind Teil verschiedener Gemeinschaften wie Familie, Vereinen und Organisationen, Unternehmen oder Staat. Die Frage ist, welche Rolle und Verantwortung wir in jeder dieser Gemeinschaften übernehmen möchten. Gemeinschaften verändern sich – in sich, aber auch im Verhältnis zu anderen. So hätte 2020 auch ohne Corona wichtige Veränderungen mit sich gebracht, man denke nur an die Wahl in den USA oder den Brexit. Betrachten wir einmal einige Szenarien für unsere Gesellschaft, die daraus resultieren könnten:
Szenario 1: Alles wird wieder wie zuvor
Alles das, was ein wenig aus der Balance gekommen ist, renkt sich wieder ein. Die Aggressivität gegenüber Ordnungs- und Hilfskräften ebbt ab. Die Wertschätzung für systemrelevante Berufsgruppen verblasst. Alle orientieren sich wieder an den Gruppen, die jeweils wichtig waren und sind. Die Erkenntnis, dass man miteinander mehr erreichen kann, dass man Verantwortung für- und miteinander hat, bleibt im Gedächtnis, hinterlässt jedoch keine weitreichenden Spuren. Einige Elemente kalibrieren sich leicht verändert wieder neu, aber im Großen und Ganzen geht alles auf den Zustand zurück, der vor der Krise herrschte. Mit allen Vor- und Nachteilen.
Szenario 2: Altes und Neues ko-existieren
Was könnte diese Koexistenz bedeuten? Wir könnten die Erkenntnisse, was wichtig und systemrelevant ist, in unser tägliches Leben integrieren. Die gegenseitige Wertschätzung aufrecht erhalten. Den positiven Effekt von Entschleunigung aktiv in unserem Alltag beibehalten. Unser Wertemodell anpassen, um sicherzustellen, dass Wichtiges dauerhaft wertgeschätzt wird. In den letzten Wochen und Monaten wurden wieder Menschen gehört, die vorher seltener zu Wort kamen. Nicht nur aus der Virologie und Epidemiologie, sondern zum Beispiel aus der Philosophie. Vermutlich war die Existenz eines Ethik-Rates vor der Pandemie vielen nicht bewusst. Es wäre schön, wenn das Bewusstsein bezüglich einer übergeordneten Wichtigkeit und Relevanz weiterbestünde.
Szenario 3: Das Alte verschwindet
Das wäre ein eher radikaler Ansatz. Nachdem wir das Wort ‚system-relevant‘ eingeführt haben, könnte man die Gesellschaft entsprechend umstrukturieren. Die Wertschätzung, auch die finanzielle, würde sich daran orientieren, welche Rolle Menschen und Gemeinschaften in und für die Gesellschaft spielen. Interessante Fragen würden folgen: Schöpft eine OP-Schwester oder ein Altenpfleger mehr Wert als Vorstandsvorsitzende, die durch umsichtiges Handeln Tausenden von Mitarbeitenden eine Zukunft sicherstellen? Haben wir durch die Krisen (Gesundheit und Umwelt) neu darüber nachgedacht, was uns die Produkte unseres täglichen Bedarfs wert sein sollten? Was ist überhaupt der tägliche Bedarf? Und wo verläuft die Linie zwischen materiellen und immateriellen Werten?
Das ist wahrscheinlich ein sehr extremes Szenario. Trotzdem würde ich es begrüßen, wenn wir uns zumindest gedanklich mit Szenario 2 und 3 beschäftigen. Was wäre, wenn… Vielleicht könnten wir so einen Beitrag dazu leisten, dass unsere Welt ein schönerer Platz wird.
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