Internationale Führung: Welchen Einfluss hat der kulturelle Hintergrund der Führungskräfte auf die Firmenkultur? Wie wendet man die Erkenntnisse von Hofstede praktisch an? Was bedeutet ‚diversity and inclusion‘ für HR Prozesse? Gedanken zu diesem Thema beschreibe ich in meinem Gastbeitrag ‚Talente Bewegen‘ dem Von Runstedt:
Internationale Führung: von spanischen Chefs und deutschen Personalern
Kennen Sie den Witz, der die himmlische und die höllische Welt beschreibt?
Der Himmel ist dort, wo die Briten die Polizisten sind, die Franzosen die Köche, die Deutschen die Mechaniker, die Italiener die Liebhaber und die Schweizer alles organisieren. Die Hölle ist dort, wo die Briten die Köche sind, die Franzosen die Mechaniker, die Schweizer die Liebhaber, die Deutschen die Polizisten und die Italiener alles organisieren.
Uns ist also durchaus bewusst, dass verschiedene Nationen unterschiedliche Stärken haben. Natürlich kann man das nicht über einen Kamm scheren. Und natürlich werden die unterschiedlichen Länder aufgrund der Globalisierung mehr und mehr angereichert mit neuen kulturellen Impulsen. Auch werden die Generationen Y und Z andere Elemente und Dynamiken einbringen. Bestimmte Unterschiede bleiben jedoch bestehen – und für diese sollten Sie sensibilisiert sein, wenn Sie in einem internationalen Unternehmen arbeiten.
Internationale Führung
Eine Analyse von PwC hat in 2014 darauf hingewiesen, dass es einem Unternehmen sehr gut tut, wenn die Führung international ist. Die neuen Einsichten und unterschiedlichen Sichtweisen bewirken eine umfassendere Vision und höhere Kreativität. Wenn wir die Top 30 Dax Unternehmen in Deutschland betrachten, sehen wir einen Anteil von 20 %, die von einem Nicht-Deutschen geführt werden (ok, hier habe ich die Doppelspitze der Deutschen Bank mit 0,5 gezählt genauso wie die Tatsache, dass Daimler-Chef Dieter Zetsche in Istanbul geboren wurde). Multikulturalität scheint in der Tat etwas zu bringen: International geführte Unternehmen wie Bayer, Fresenius Medical Care und Henkel stehen nach wie vor sehr gut da.
Unterschiede der Kulturen
Ich selbst habe in der Schweiz, Belgien, Holland und in Deutschland gelebt. Alles Länder, denen man nachsagen würde, dass sie sich doch eigentlich ähnlich sind. Mitnichten! Die Unterschiede sind spürbar und signifikant. Wenn man sich dessen nicht bewusst ist, kommt es zu Irritationen. Ich bitte das Auslassen der Grautöne im folgenden Text zu entschuldigen. Übertreibung veranschaulicht, deswegen schalte ich um auf schwarz und weiß.
Also: Vielfalt ist gut. Soweit sind wir uns sicher einig. Aber sie muss moderiert werden. Geert Hofstede hat schon 1980 auf die Unterschiede der Kulturen hingewiesen. Bis zur Jahrtausendwende baute er dieses Modell weiter aus und beschreibt eine Kultur nun anhand von fünf Kriterien.
Mehr über die fünf Dimensionen von Hofstede erfahren Sie unter anderem in diesen Youtube-Videos:
- „Hofstede’s Cultural Dimensions Theory“
- „Map The World – Hofstede’s 5 Cultural Dimensions visualized on a world map“
Der Europäer – gibt es den?
Sehen wir uns ein konkretes Beispiel an. Eine Führungsmannschaft bestehend aus Deutschen, Holländern und Spaniern. Laut Hofstede unterscheiden sich diese drei Nationalitäten wie folgt:
Lassen Sie uns nun die zwei größten Unterschiede betrachten: Maskulinität/Femininität sowie Ungewissheitsvermeidung. Was bedeutet das im Einzelnen? Als feminine Werte zählt Hofstede Fürsorglichkeit, Kooperation und Bescheidenheit auf. Maskuline Werte seien hingegen Konkurrenz-bereitschaft und Selbstbewusstsein. Das würde bedeuten, dass in einem Konkurrenzkampf die Deutschen immer gewinnen würden, weil die Niederländer und Spanier eher auf Kooperation aus sind. Kulturen, die Unsicherheit vermeiden wollen, zeichnen sich durch viele festgeschriebene Gesetze, Richtlinien, Sicherheitsmaßnahmen aus. Die Mitglieder sind emotionaler und nervöser. Kulturen, die Unsicherheit akzeptieren, sind tolerant, haben wenige Regeln, die im Zweifelsfall auch veränderbar sind, und neigen also zu Relativismus. Die Mitglieder sind phlegmatisch und erwarten von ihrer Umwelt nicht, dass sie Gefühle zeigt. Somit wären die Holländer und die Deutschen hier mehr oder weniger ausgeglichen, die Spanier jedoch sehr reglementiert und kontrolliert.
Was bedeutet das im Führungsalltag?
Wenn der Spanier zum Beispiel das Bedürfnis hat, viele Regeln und Kontrollmechanismen einzuführen, weil das seinem Naturell entspricht, wird dies bei den Holländern und Deutschen so ankommen, als ob man ihnen nicht vertraut. Sie fühlen sich bevormundet und nicht als Führungskräfte wahrgenommen. Je nach persönlicher Einstellung führt dies entweder zur Revolte oder zur Entstehung einer Truppe von Ja-Sagern. Wenn man daneben dann den deutschen Hang zur Maskulinität sieht, kann man absehen, dass diese Konstellation, wenn sie nicht moderiert wird, zu Konflikten führt.
Hier hilft nur intensives Kommunizieren. Wenn der Spanier sein Bedürfnis nach Kontrolle nicht erklärt, wird er seine Mitarbeiter verlieren. Die werden sich zwar ob des hohen Femininitäts-Anteils der spanischen Führung umsorgt fühlen, aber eher wie unmündige Kinder. Wenn die Machtverhältnisse andersherum sind, wird der Spanier ob der fehlenden Kontrollmechanismen den Respekt vor der Führung verlieren. Wenn dann dazu noch der deutsche Konkurrenzwille gespürt wird, entsteht in Spanien der Eindruck, es handele sich um gefühllose Anarchisten…
Übertrieben, ich gebe es zu. Jedoch habe ich derartige Gefüge sehr wohl in der Realität gesehen. Und auch feststellen müssen, dass eben genau diese Elemente zu großen Missverständnissen führen. Je größer ein Unternehmen, je weiter der Abstand zwischen den verschiedenen Mitarbeitern wird, desto unverständlicher wird der jeweilige Führungsstil.
Wie sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen auswirken
Dazu kommen heute noch die verschiedenen wirtschaftlichen Situationen in den Ländern hinzu. In Deutschland herrscht derzeit beinahe Vollbeschäftigung und ein Fachkräftemangel. In Holland ist die Situation nicht unähnlich. In Spanien jedoch herrscht hohe Arbeitslosigkeit und deswegen kein Fachkräftemangel. Es werden dort überdurchschnittlich viele Ingenieure ausgebildet, so dass in Deutschland schon die Idee entstanden ist, eine Vakanz einfach mit einem Spanier zu besetzen. Die Herausforderungen, die das mit sich bringt, könnten ein neues Kapitel zum Thema Vielfalt sein.
Gehen wir zurück zu unserer spanischen Führungskraft. Vor der Tür steht der Personalchef aus Deutschland mit einem Konzept bezüglich Employer Branding, damit er die raren Fachkräfte anziehen kann. Wie wird wohl der spanische Chef reagieren, wenn ihm die Situation in Deutschland nicht hinreichend deutlich gemacht wurde? Genau, er wird das Konzept für überflüssig halten. Da er auf feminine, will sagen fürsorgliche Art führt, wird er seinen Mitarbeitern mitteilen, dass er als Padrone schon weiß was richtig ist, und hier einen Riegel vorschieben. Was den Deutschen natürlich wiederum frustriert… Sehen Sie die Spirale?
Die Rolle von HR für interkulturelle Zusammenarbeit
Der Personalabteilung kommt hier gemeinsam mit der internen Kommunikation die Aufgabe zu, das Bewusstsein für derartige Unterschiede zu wecken und Lösungsansätze vorzuschlagen. Lösungsansätze sind hier hauptsächlich das intensive Diskutieren dieses Themas und das Kommunizieren darüber. Wenn man dem spanischen Chef klar machen kann, dass er seiner Fürsorgepflicht besonders nachkommt, wenn er den überarbeiteten Deutschen ein neues Regelwerk zum Rekrutieren talentierter Fachkräfte gibt, wird dies mit einer höheren Wahrscheinlichkeit geschehen.
Es geht nicht nur darum, jeder Führungskraft ein Diversity-Training aufzubrummen. Es geht um subtilere Maßnahmen. Da stellt sich ein Mitarbeiter der entsprechenden Nation in einem Newsletter vor und beschreibt die bevorzugte Arbeitsweise. Da wird in der Kantine ein Nationalgericht angeboten mit der entsprechenden Entstehungsgeschichte. Da werden Projektmitarbeiter über ihre Erfahrungen interviewt, die sie bei der Zusammenarbeit mit einer anderen Nation gemacht haben. Da wird auch der Chef einmal interviewt, der seine Sicht der Dinge darstellt. Mit den richtigen Fragen wird ihm die Gelegenheit gegeben, seinen Führungsstil zu erklären.
Fazit
Wir werden in Europa noch viele Fusionen und Zusammenführungen sehen. Und wir werden mehr und mehr Unternehmen sehen, die von einem Vorstand geführt werden, der einer anderen Nation angehört als die des Hauptquartiers. Wir Personaler sollten also schnellstmöglich lernen, hier die richtigen Veränderungsprozesse anzuschieben, damit die Firmenkultur dadurch bereichert und nicht zerstört wird…
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